Dienstag, 31. März 2015

Manchmal berühre ich Dinge...



Manchmal berühre ich Dinge, die du
berührt hast und suche dort
nach dem Echo
deiner Finger

(Rea Revekka Poulharidou)

Montag, 30. März 2015

Geduld...


Man muß den Dingen die eigene,
stille, ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt,
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann:
alles ist Austragen – und dann Gebären.

Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.
Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so sorglos still und weit.

Man muß Geduld haben,
gegen das Ungelöste im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben und wie Bücher,
die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.

Forsche jetzt nicht nach den Antworten,
die Dir nicht gegeben werden können,
weil du sie nicht leben kannst.
Und es handelt sich darum, alles zu leben!

Lebe jetzt die Fragen,
vielleicht lebst Du dann allmählich
ohne es zu merken
eines fernen Tages in die Antwort hinein.

(Rainer Maria Rilke)

Sonntag, 29. März 2015

Und es kam der Tag...



Und es kam der Tag, da das Risiko, in der Knospe zu verharren, 
schmerzlicher wurde als das Risiko, zu blühen.
(Anaïs Nin)

Dienstag, 24. März 2015

Der kleine Engel...


Der kleine Engel mit nur einem Flügel

Es war einmal ein kleiner Engel im Himmel, der die Menschen mit solcher Nähe und Zärtlichkeit begleitete, dass er den unwiderstehlichen Wunsch empfand, nicht nur mit seinem Flügeln über die Erde zu schweben und schützend die Menschen zu achten, sondern er wollte selbst auf ihren Straßen gehen, einer von ihnen werden.

Eines Tages sah er auf der Erde eine eben erblühte Mohnblume. Da schien dem kleinen Engel, als habe er im Himmel noch nie ein solches schönes Rot empfunden und seine Sehnsucht, zur Erde zu gehören, wuchs.

So trat er vor Gottes Angesicht und bat: "Lass mich auf die Erde, lass mich ein Mensch unter Menschen werden."

Da trat ein erhabener, weiser Engel dazu und sagte: „Weißt du auch, dass es auf der Erde nicht nur Sonne und Blumen gibt? Es gibt Stürme und Unwetter und allerlei Ungemütliches." Ja", erwiderte der kleine Engel", „das weiß ich. Doch sah ich auch einen Menschen, der hatte die Kraft, einen großen Schirm aufzuspannen, sodass zwei Menschen darunter Platz hatten." Es schien mir, den Beiden könnte kein Unwetter etwas anhaben."

Da lächelte Gott dem kleinen Engel zu.
Die Zeit verging und eines Tages erschien der kleine Engel wieder vor Gottes Angesicht und sprach: „Ich habe mir noch mehr angesehen von der Welt. Es zieht mich mehr und mehr hinunter."

Da trat der erhabene, weise Engel wieder hinzu und entgegnete: „Weißt du auch, dass es Nebel und Frost und eine Menge verschiedene Arten von Glatteis gibt auf der Welt?"
Da antwortete der kleine Engel: „Ja, ich weiß um manche Gefahren, doch sah ich auch Menschen, die teilten ihre warmen Mäntel. Und andere Menschen, die gingen bei Glatteis Arm in Arm."

Da lächelte Gott dem kleinen Engel erneut zu. Als wieder einige Zeit vergangen war, trat der kleine Engel zum dritten Mal vor Gottes Angesicht und bat: „Lass mich ein Mensch werden. So wunderschön rot blüht der Mohn auf der Erde!
Mein Herz ist voll Sehnsucht, etwas zu diesem Blühen beizutragen."

Da trat der erhabene, weise Engel ganz nah zu dem kleinen Engel und fragte mit ernster Stimme: „Hast du wirklich genug hingesehen, das Leid und das Elend geschaut, die Tränen und Ängste, die Krankheiten, Sünde und den Tod geschaut?"

Mit fester Stimme erwiderte der kleine Engel: „Wohl habe ich auch das Düstere, Traurige und Schreckliche gesehen. Doch ich sah auch einen Menschen, der trocknete einem anderen die Tränen, der vergab einem Schuldigen und der reichte einem Sterbenden die Hand. Ich sah eine Mutter, die wiegte ihr krankes, ausgemergeltes Kind durch viele Nächte und wurde nicht müde, die alte leise Melodie der Hoffnung zu summen. Solch ein Mensch möchte ich werden."

Da trat der erhabene, weise Engel zurück und Gott schenkte dem kleinen Engel seinen Segen und gab ihm viel Himmelslicht mit auf die lange Reise.

Bevor der kleine Engel zur Erde niederstieg, nahm ihm der erhabene, weise Engel einen Flügel ab und der andere Flügel wurde unsichtbar.
Da fragte der kleine Engel: Mein Gott, wie soll ich vorwärtskommen und wie zurückfinden ohne Flügel?"
Das herauszufinden, wird deine Lebensaufgabe sein", hörte er Gottes Stimme zärtlich sagen.

In dieser Nacht kam ein kleines Kind zur Welt. Seine Mutter, noch vor Schmerz und Anstrengung betäubt, nahm das Kind in die Arme, sah das Himmelslicht wie einen Lockenkranz um das Köpfchen des Kindes leuchten und flüsterte: „Sei willkommen unter uns, mein kleiner Engel."
Noch lange sah man das Himmelslicht um das Kind. Doch wie das Leben so ist, es beschmutzt auch die reinsten und hellsten Lichter. All die vielen Einflüsse, die Härte und der Kampf taten ein Übriges.
Bald sah niemand mehr, dass der Mensch ein himmlisches Licht in sich trug.
Zwar machte sich der unsichtbare Flügel hier und da bemerkbar, doch was bei dem Kind als träumerischer, schwebender Schritt wahrgenommen wurde, das wirkte bei dem Heranwachsenden eher als unsicheres Schwanken und dann beim Erwachsenen dann nur noch als Hinken und Stolpern.
Je länger der Mensch, der einst ein Engel gewesen war, auf den staubigen und steinigen Wegen des Lebens ging, die mühsamen Treppen bestieg, die steil abfallenden dornigen Hänge hinunter strauchelte, desto mehr hatte er vergessen, woher er kam und weshalb er hier wanderte.
Einzig die große Liebe zu den kleinen roten Mohnblumen, die an Wegrändern und Magerwiesen blühten, war ihm geblieben.
Viel Leidvolles begegnete dem Menschen auf seinem Lebensweg. Zwar konnte er manchmal eine Träne trocknen, sein Brot teilen mit einem Hungernden, doch die meisten Rätsel blieben und er merkte mehr und mehr, wie wenig er tun konnte und wie vieles er unerledigt zurücklassen musste.
Seine Kraft reicht nur für ganz wenig und oft schien es ihm, als bewirkte sein Leben nichts.
Jeden Frühling aber blühte der Mohn an den Straßenrändern und erfreute des Menschen Herz. Nach einem besonders langen kalten Winter, in dem der Mensch kaum genug Wärme und Schutz, Raum und Nahrung, Freundschaft und Brot gefunden hatte, konnte er sich nur noch langsam und mühsam fortbewegen. Er musste viele Pausen machen und schlief vor Erschöpfung am Wegrand ein.

Da erblickte er weit über sich auf einem unerreichbar hohen Felsen eine kleine Wiese voll roten Mohns. Der Mensch rieb sich die Augen. So rot, so rot erblühte der Mohn!
Beim Anblick dieser Blumen wünschte er so sehr, dass er allen Menschen, denen er begegnete und allen Tieren, die um ihn waren, eine solche Blume und so ein klares, inniges Rot als Zeichen der Liebe schenken dürfte.

Da bemerkte er neben sich einen Wanderer, genauso müde, genauso gezeichnet von der langen Straße wie er.
„Wohin schaust Du so voller Sehnsucht und voller Wehmut?" fragte dieser. "Schau dort auf die Mohnblüten. So müsste die Farbe unserer Liebe sein." Weißt Du denn nicht, wie schnell diese Art Blumen welken, wie wunderbar sie sind?" kam die Frage des Wanderers.
Der Mensch, der einst ein Engel gewesen war flüsterte: „Ich weiß um ihre Sterblichkeit. Trotzdem ist kein roteres Rot in der Welt und in meinem Herzen. Diese Blumen sind wie die Liebe, mag das Äußere auch welken, ihr Rot bleibt in der Seele"
Da schauten sich die beiden Menschen ins Gesicht und erkannten den letzten Funken Himmelslicht in den Augen des Anderen. Sie sahen, woher sie kamen, wozu sie gewandert waren und wohin sie noch unterwegs waren. Und sie sahen an sich jeweils einen Flügel. Voller Freude umarmten sie sich.
Da geschah das Wunder. Sie erreichten das Mohnfeld, gemeinsam konnten sie fliegen, denn Menschen sind Engel mit nur einem Flügel - um fliegen zu können, müssen sie sich umarmen.
Zu dieser Stunde sagte Gott im Himmel:
Du hast herausgefunden, wozu du unterwegs warst und ich dich aussandte. Dein Mohn blüht jetzt im Himmel, komm heim!


(Autor unbekannt)

Glück...


Die glücklichen Menschen
haben nicht unbedingt das Beste von allem,
sie machen nur das Beste aus allem,
was ihnen begegnet.

(Sergio Bambaren)

Sonntag, 22. März 2015

Sehnsucht...



Im Morgenlicht
die erste Magnolienblüte,
in mein Erwachen hinein
das Lied der Amsel.
Erstarrt noch
in die Kälte der Nacht
meine Sehnsucht -
wortlos.

(Annette Gonserowski)
 

Samstag, 21. März 2015

Immer wieder...

Am heutigen Tag der Poesie ein Lieblingsgedicht von einem meiner Lieblingsdichter Hans Kruppa:


 

Mit dir wag ich das Unwägbare,
gehe über meine Grenzen
und schicke mein Schicksal
auf den Weg zu sich selbst.

Mit dir kann ich nicht fehlen,
denn nichts fehlt mir
in deiner Nähe.

Wenn du an meiner Seite bist,
ist die Zeit auf meiner Seite -

und nichts und niemand
kann mir das Lächeln nehmen,
das ich dir immer
wieder schenken will.

Freitag, 13. März 2015

Ich denke nach...



Ich denke nach
was ich dir zu geben habe
und warum es gut für dich ist

oder schlecht für dich
dass ich dich liebe

Ich denke nach
was ich dir alles sein kann
und ob ich ein Recht habe
mich zu sehnen nach dir

Ich denke nach
ob es Sinn hat
so nachzudenken
und wie ich wissen soll
was ich dir alles sein kann
und ob ich ein Recht haben will
dir etwas zu geben zu haben
und mich nach dir zu sehnen

Ich sehne mich nach dir
weil ich mich nach dir sehne
Ich will dir etwas sein
weil du mir mehr bist als etwas
und weil ich nicht ohne dich sein will

Ich liebe dich
nicht weil es gut oder schlecht ist
und nicht weil es recht oder unrecht ist
sondern weil ich dich liebe

(Erich Fried)  

Und wieder mal ein Gedicht von Erich Fried - 
einer meiner Lieblingsdichter.
Ich durfte ihn in den 80er Jahren bei einer Lesung im 
Basler Stadttheater erleben, ein eindrucksvoller und unvergesslicher Abend!

Mittwoch, 4. März 2015

Viele unserer Ängste...

Bild: Renate Schunack

“Viele unserer Ängste sind nichts als Riegel

vor den Türen zu den Gemächern 

des Märchenpalastes unserer Seele. 

Doch kein Riegel kann auf die Dauer 

unserem Verlangen widerstehen, 

unsere inneren Wunder zu entdecken.”

Heaven...



Dienstag, 3. März 2015

Du musst das Leben nicht verstehen...

 Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.

(Rainer Maria Rilke)